Dieser Text basiert im Wesentlichen auf einer Recherche, die der Autor für sein neues Buch „Bauen am nationalen Haus. Architektur als Identitätspolitik“ (Berenberg Verlag) unternommen hat. Eine redigierte Fassung ohne Quellenhinwiese veröffentlichte Zeit-Online am 4.3.2024 unter dem Titel „Rechte Spender für das Berliner Stadtschloss – Kulturrevolution mit Preußen“
Haben sich rechtsradikale Spender an der Finanzierung der Fassaden des Neubaus des Berliner Schlosses beteiligt, der im Jahr 2020 eröffnet wurde mit dem Humboldt Forum darin? Diese Frage ist insofern heikel, als die stets heftig umstrittene Entscheidung für die historisierende Fassadenrekonstruktion eine basisdemokratische Legitimation dadurch erhalten hatte, dass die Fassade im Gegensatz zum Gebäudeinneren durch Spenden aus der Bevölkerung finanziert wurde. 677 Millionen Euro kostete der Bau insgesamt, davon zahlte die öffentliche Hand 572 Millionen Euro für die Errichtung des Gebäudekerns, die restlichen 105 Millionen Euro für dessen Verkleidung mit Barockfassaden kamen aus privaten Quellen. Gesammelt hat ein Großteil der Spenden der 1992 gegründete Förderverein Berliner Schloss, dessen Werben für die Schlossrekonstruktion zehn Jahre später Erfolg hatte: Der Bundestag beschloss 2002 den Wiederaufbau.
Die Idee einer Wiedererrichtung der ursprünglichen Residenz der Kurfürsten von Brandenburg, später der Könige von Preußen und schließlich der deutschen Kaiser hatte von Beginn an einen inneren Widerspruch: Wie sollte dieser Symbolbau mitten in der Hauptstadt des wiedervereinten Deutschlands unser heutiges demokratisches Gemeinwesen repräsentieren? Heute muss man sagen: Nicht nur die Idee war rückwärtsgewandt, in der konkreten Gestalt des Baus hat sich rechtslastiges Gedankengut niedergeschlagen. Denn Spenderinnen und Spender konnten, das ist erst seit kurzem klar, sogar mittels optionaler Bausteine Einfluss auf die Ausgestaltung des Gebäudes nehmen und mit ihrem Geld etwa die Rekonstruktion der Kuppel und der Innenseite des Eosanderportals durchsetzen.
Dass bei den Aktivitäten des Fördervereins Berliner Schloss rechtsradikale Akteure mitwirkten, darüber hat zuerst bereits im Jahr 1999 das Magazin Stern berichtet. Spürbare Konsequenzen hatte die Veröffentlichung indes keine. Der Autor dieses Text hier hat mehr als 20 Jahre später – in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel im Oktober 2021 – erstmals die Gesinnung eines der Großspender des Schlosswiederaufbaus näher beleuchtet, des 2016 verstorbenen Bankiers Ehrhardt Bödecker. Der hatte etwa eine „wissenschaftlich nachgewiesene Unrichtigkeit der behaupteten Zahl von 6 Millionen Opfer“ des Holocaust behauptet, sah in den jüdischen Exilanten der Frankfurter Schule die Verursacher einer Reeducation des deutschen Volkes und sprach sich gegen die parlamentarische Demokratie, freie Medien, Gewerkschaften und politische Parteien aus. Bödeckers Äußerungen waren teilweise antisemitisch und rechtsextrem.
Die Stiftung Humboldt Forum entfernte Ende 2021 auf Bitten der Familie Bödecker die Ehrhardt Bödecker gewidmete Ehrentafel in dem auf der Westseite des Baus gelegenen Eosanderportal und drängte auf eine Überprüfung aller Großspender. Da diese aber teilweise anonym gespendet hatten, konnte die Stiftung diese Prüfung nicht selbst vornehmen, sondern war hierfür auf den Förderverein Berliner Schloss angewiesen.
Im Herbst 2022 gab die Stiftung Humboldt Forum erfreut Entwarnung: Sie verkündete, es gebe „keinen Hinweis auf rechtsradikale oder gar extremistische Spender“ beim Schlossprojekt. Somit hätten sich Vorwürfe, rechtslastige Akteure hätten bei dem Projekt mitgewirkt, als substanzlos erwiesen. Dies Klarstellung war für die Verantwortlichen von großer Wichtigkeit, weil Zweifel an den Motiven und dem politischen Hintergrund der Spender das Ansehen des Gesamtprojektes noch zusätzlich beeinträchtigen würde.
Die Behauptung nun, dass die Kritik ausgeräumt sei, beruhte auf einer vom Förderverein Berliner Schloss beauftragten Überprüfung der Spender durch den Berliner Anwalt Peter Raue. Doch wie belastbar war dieser Persilschein des renommierten Juristen?
Raue hat anonyme Spenden in Höhe von 25 Millionen Euro gar nicht prüfen können, weil deren Herkunft selbst dem Förderverein unbekannt waren. Zudem war Raue in der Sache befangen. Zu seinen Mandanten gehörten sowohl der Förderverein wie auch die Familie des Großspenders Ehrhardt Bödecker. Er stritt für seine Mandanten ungünstige Tatsachen ab, etwa dass diese durch optionale Bausteine auf die Ausgestaltung des Baus Einfluss nehmen konnten und sprach vom »angeblichen« Antisemiten Bödecker. Raue verhinderte zudem über Monate die Veröffentlichung eines ihm bekannten wissenschaftlichen Gutachtens des Instituts für Zeitgeschichte, das den Vorwurf des Antisemitismus gegenüber Bödecker sehr wohl belegte.
Als die Vorwürfe rechtslastiger Spender im Oktober 2021 öffentlich wurden, haben sich die Verantwortlichen überrascht gegeben. Dabei hatte der Stern ja bereits im April 1999 aufgezeigt, dass der Förderverein mit rechtslastigen bis rechtsextremen Akteuren zusammenarbeitet. So hatte der Verein im Januar 1999 in der FAZ eine Anzeige geschaltet, die von mehreren Personen aus dem rechtsradikalen Milieu mitunterzeichnet worden war. Doch auch im Jahr 2022 hatte hier niemand ein Interesse daran, der Problematik auf den Grund zu gehen. Man gab sich mit Raues Auskünften zufrieden. In der öffentlichen Debatte galt der Fall nach der Entfernung des Medaillons im Eosanderportal, welche den Großspender Bödecker ehrte, als erledigt.
Mangelnder Aufklärungswille, Zurückhalten von Informationen und entlastende Falschauskünfte der Stiftung Humboldtforum waren für den Autor dieses Textes Anlass, das Verhältnis der Spendenkampagne des Fördervereins zu rechtslastigen Kreisen nochmals genauer zu untersuchen. Die neuen Recherchen zeigen, dass es sich bei Bödecker nicht um eine Ausnahme handelte
Seit seiner Gründung im Jahr 1992 hatte der Förderverein Berliner Schloss Verbindungen zu rechtsradikalen Kreisen und offenkundig keinerlei Interesse, sich von diesen klar abzugrenzen. Da der Förderverein eine eigene politische Positionierung weitgehend vermieden hat, augenscheinlich um eine breite Unterstützung seines Vorhabens nicht zu gefährden und keine Gegenkräfte zu mobilisieren, liegt dieser Sachverhalt nicht offen zu Tage. Es sind vor allem die Kontakte zu rechtsradikalen Politikern, zu einer rechtsextremen Vereinigung in Hamburg und zu einem zentralen publizistischen Organ der sogenannten Neuen Rechten, welche die Verbindung des Vereins in rechtsradikale Milieus aufzeigen.
Dem fünfköpfigen Gründungsvorstand des Vereins gehörte 1992/93 Dieter Lieberwirth als einer der beiden Stellvertreter des Vereinsvorsitzenden Wilhelm von Boddien an. Dieter Lieberwirth war damals Politiker der Partei Die Republikaner und zuvor schon als Sympathisant der NPD öffentlich in Erscheinung getreten. Lieberwirth vertrat die Republikaner ab 1989 für viele Jahre im Stuttgarter Gemeinderat, 1989 trat er bei der Europawahl als Kandidat an, 1992 kandidierte er für den Landtag Baden-Württemberg, 1996 bei der Wahl zum Oberbürgermeister Stuttgarts. Zwei Jahrzehnte später arbeitete er als Pressesprecher für die Stuttgarter AfD.
Und schon als der Förderverein für den Schlossneubau in Berlin mit der Schlosssimulation im Sommer 1993 große öffentliche Aufmerksamkeit erregte, war man sich offenkundig bewusst, dass es politisch ungünstig wäre, wenn ein rechtsradikaler Politiker mit an der Spitze des Vereins stünde. Man bat Dieter Lieberwirth, sich diskret aus dem Vorstand zurückzuziehen, doch ansonsten war er im Verein weiterhin wohlgelitten. Als engagiertes Vereinsmitglied verteidigte er Wilhelm von Boddien auf Mitgliederversammlungen gegen vereinsinterne Kritiker und spendete ein Schmuckelement für das Eosanderportal. Er blieb nicht der einzige rechtslastige Politiker, der mit dem Verein eng verbunden war.
Zu seinen Großspendern gehören des weiteren der AfD-Politiker Thomas Sambuc, die Gesellschaft Berliner Schloss e.V., deren dreiköpfigem Vorstand der Berliner AfD-Politiker Daniel Krüger angehört, sowie der AfD-Förderer Karl-Klaus Dittel. Letzterer leitete über zehn Jahre lang den Freundeskreis Baden-Württemberg des Fördervereins Berliner Schloss und gründete daneben den »Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten«, der in großem Umfang Wahlwerbung für die AfD mit rechtlich dubiosen Finanzierungen organisierte.
Ein anderer langjähriger Unterstützer aus dem rechtsradikalen Milieu ist die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG) Hamburg, die im Jahr 2023 vom Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde. Bereits 1993 publizierte der ehemalige NS-Kulturfunktionär Niels von Holst in der Zeitschrift der SWG ein Plädoyer für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, den er zum Zweck der angeblichen Identitätsbewahrung des vereinten Deutschlands forderte. Im Jahr 2001veröffentlichte Schlossgroßspender Ehrhardt Bödecker ebenfalls in dieser Zeitschrift ein geschichtsrevisionistisches Pamphlet über die angebliche »Antipreußische Gehirnwäsche«. Im selben Heft erschien – neben Texten weiterer als rechtsradikal bekannter Autoren wie Max Klaar, Wolfgang Venohr und Reinhard Uhle-Wettler – ein Aufsatz von Wilhelm von Boddien, in dem er ebenfalls Identitätsfragen beschwor und meinte: »Ohne das Schloss ist hier alles nichts.«
Auf Einladung des rechtsextremen Vorsitzenden der SWG, dem General a.D. Reinhard Uhle-Wettler, hielt Wilhelm von Boddien bei dieser 2007 einen Vortrag. Das Cover des Magazins der SWG von 2015 zeigte ein Rendering des wiederaufgebauten Schlosses, im Heft fanden sich erneut Spendenaufrufe. Vorsitzender des SWG war zu dieser Zeit der hochrangige ehemalige Bundeswehroffizier Manfred Backerra, der wegen seiner Kontakte ins rechtsextreme Milieu noch während seiner aktiven Dienstzeit bei der Bundeswehr in den Neunzigerjahren wiederholt aufgefallen ist. Auch persönlich spendete Backerra mehrfach für das Schloss und war einer der Unterzeichner der Anzeige des Fördervereins im Januar 1999, welche der Stern damals kritisiert hat.
Die dritte wichtige rechtslastige Stütze des Fördervereins Berliner Schloss ist schließlich die Zeitschrift Junge Freiheit, die wegen ihrer Nähe zu rechtsradikalen Positionen immer wieder vom Verfassungsschutz beobachtet wurde und die auch Ehrhardt Bödecker jahrelang als Stammautor eine Bühne geboten hatte.
Die Zeitschrift selbst, ihr Herausgeber Dieter Stein und einige ihrer Autoren (darunter Claus Wolfschlag) sind in der Spenderliste geführt. Wichtiger als dieses Geld war aber ihre publizistische Unterstützung des Projektes, zumal der Förderverein in der Leserschaft der Jungen Freiheit offenkundig eine Zielgruppe für sich sah und schon im Jahr 1993 in der Zeitung mit einer großen Anzeige für Spenden und Mitglieder warb. Gemeinsam mit Junge-Freiheit-Autor Wolfgangs Lasars und dem rechtsextremem Vertriebenenfunktionär Paul Latussek bestritt Wilhelm von Boddien im Februar 1999 ein Seminar bei der rechtsradikalen Jungen Landmannschaft Ostpreußen. Auch die regelmäßige Junge-Freiheit-Autorin Vera Lengsfeld, nach der Wende ursprünglich Politikerin bei Bündnis 90/Die Grünen, später aber über einen Wechsel zur CDU heutzutage bei rechtsradikalen Positionen angelangt, ist eine engagierte Unterstützerin der Schlossrekonstruktion. Sie spendete vier Schmuckelemente.
Als der Förderverein Berliner Schloss wegen seiner rechtsradikalen Unterstützer bereits vor zwei Jahren in die Kritik geriet, gab er keineswegs Unwissenheit vor, sondern stellte sich im Gegenteil vor diese. »Wir bekennen uns ohne jede Einschränkung zu unseren Spendern«, verlautbarte Geschäftsführer Wilhelm von Boddien im Mai 2022 und sprach von »einer Hexenjagd auf unbescholtene Bürger«. Die Junge Freiheit lobte ihn prompt für seine große Standhaftigkeit.
Der Förderverein argumentiert bis heute offensiv, dass er rechtsradikale Spender weder zurückweisen könne noch wolle. Schließlich gelte in Deutschland Meinungsfreiheit; nur Spenden von Personen, die vom Verfassungsschutz beobachtet würden oder gerichtlich verurteilt wurden, seien abzuweisen. Wie schon der inzwischen verstorbene Bödecker fordert nun der heutige Vorsitzende des Fördervereins Berliner Schloss, Richard Schröder, den gesetzlichen Spielraum für rechtsextreme Positionen zu vergrößern: Bödecker kritisierte die Verfolgung Rechtsextremer durch den Verfassungsschutz, Schröder kritisiert vor Kurzem das Verbot der Holocaustleugnung.
Die Problematik rechtsradikaler Spender wurdeteilweise bagatellisiert, teilweise in Abrede gestellt. Der Vereinsvorsitzende Richard Schröder, emeritierter Theologieprofessor der Humboldt-Universität und Mitglied der SPD, leugnete in einem Beitrag den Antisemitismus des Spenders Bödecker und warf dem Autor dieses Textes vor, in dem Artikel für den Tagesspiegel durch Fälschung von Zitaten diese antisemitischen Bezüge überhaupt erst erfunden zu haben.
Schröder behauptete zudem, Rechtsextremismus sei »viel zu schwammig für ein Ausschlusskriterium«. Er nahm die AfD und die Zeitschrift Junge Freiheit vor Kritik in Schutz und sah auch keine ethischen Standards verletzt, wenn Personen in einer Zeitschrift publizieren, in der auch Texte von Holocaustleugnern veröffentlicht werden. Dann ging er noch einen Schritt weiter: Er sah in der Leugnung des Holocausts eine Meinungsäußerung, deren Verbot er als Einschränkung der Meinungsfreiheit problematisierte, eine Äußerung, mit der Schröder Holocaustleugnungen insgesamt relativierte.
Der Verein rief im Mai 2022 in der vereinseigenen Zeitschrift Berliner Extrablatt einen »Kulturkampf« aus, sprach von »überhitztem Säkularismus«, Verlust »abendländischer Identität«, einem »Akt der Tyrannei« , »kollektiver Amnesie«, »Gehirnwäsche« und kritisierte die »deutschen Leitmedien«. Den Neubau des Schlosses deklarierte er auch als Versuch, sich solchen Fehlentwicklungen entgegenzustemmen. Die »Radikalmoderne« wurde einem pauschalen Bashing unterzogen und mit den visuellen Methoden der NS-Ausstellung Entartete Kunst diffamiert. In einem Bildpaar diente eine Monsterspinne aus einem Science-Fiction als Analogie zu einem Projekt von Zaha Hadid. Daniel Libeskinds Umgang mit dem Altbaubestand beim Jüdisches Museum in Berlin wurde als „bedrückendes Beispiel“ kritisiert. Diese Beispiele stehen für einen latent misogynen, rassistischen oder antisemitischen Subtext, der sich auch in vergleichbaren Beiträgen der Jungen Freiheit und der Zeitschrift Sezession des Instituts für Staatspolitik wiederfindet.
Wenig überraschend war die starke Resonanz auf diese rechtslastigen Positionierungen des Fördervereins im Mai 2022 bei Neuen Rechten und Rechtsextremen. Mit einer Reihe von Veröffentlichungen sprangen sie dem Förderverein in dem »totalitären Kampf gegen ›rechts‹« zur Seite, »der noch die bescheidensten Bedürfnisse nach positiver Identifikation mit unserer Herkunft ausmerzen wird«. Die Junge Freiheit machte in ihrem Online-TV den »Kampf ums Berliner Schloss« zum »Thema der Woche«, und übernahm wie mehrere rechtsradikale beziehungsweise rechtsextreme Onlinemedien die Behauptung, die Kritik am Antisemitismus Bödeckers gehe auf ein gefälschtes Zitat zurück. Im Juli 2022 stellte das Landgericht Berlin hingegen fest, die entsprechende Aussage über Bödecker »ergibt sich aus dem Buch Bödeckers« und verhängte gegen Richard Schröder eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung, die ihm untersagt, seine Falschbehauptung über angebliches Mogeln beim Zitieren durch den Verfasser dieses Textes weiter zu äußern. Schröder hat hiergegen Berufung eingelegt, die das Kammergericht aber laut Beschluss vom 2.2.2024 zurückweisen will.
Zwar mussten nun der Förderverein und seine rechtsradikalen Unterstützer ihre Falschbehauptung aus dem Verkehr nehmen, konnten sich aber bald darauf über eine Verständigung mit der Stiftung Humboldt Forum freuen. Letztere gelangte zu der Auffassung, dass der Antisemitismus Bödeckers weder rechtsextremistisch noch rechtsradikal sei und sich daher die zuvor erhobenen Vorwürfe nicht erhärtet hätten; einer weiteren Zusammenarbeit stehe nichts im Wege. Daraufhin stellte die Junge Freiheit fest: »Humboldt-Forum rehabilitiert ›rechte Spender‹. Die Behauptung, der Verein habe Gelder von »rechten Spendern« angenommen, habe »sich als unwahr herausgestellt«. Genüsslich berichtete die Junge Freiheit, dass die Stiftung Humboldt Forum von ihrer einstigen Forderung, der Verein solle die Spenden der Zeitung wegen Verstoß gegen ethische Standards zurückzahlen, nichts mehr wissen wolle. Diesen Artikel wiederum übernahm der Förderverein vollständig auf seine Website.
Man ist sich einig: Es gibt kein Problem – außer einer woken Empörungswelle, die mit vermeintlich falschen Unterstellungen das Schlossprojekt in Misskredit bringen wolle. Zu diesen angeblich falschen Unterstellungen wird auch die oben bereits erwähnte Feststellung gezählt, dass Spender über die Finanzierung optionaler Bausteine Einfluss auf die Realisierung des Schlosses nehmen konnten. Diese Tatsache wurde von Förderverein und Stiftung vehement bestritten, doch musste die Stiftung freilich einräumen, dass dieser Einfluss doch gegeben war.
Besonders drängend stellt sich die Frage im Hinblick auf die Baugestalt der umstrittenen Schlosskuppel, deren Rekonstruktion den Symbolgehalt des Gesamtvorhabens maßgeblich verändert hat, da sie für die Verbindung von Thron und Altar, das Gottesgnadentum und die Niederschlagung der Revolution von 1848 steht. Gerade noch rechtzeitig konnte der Förderverein im März 2013 eine anonyme Spende »zwischen fünf und neun Millionen Euro« einwerben: »Der Bau der Schlosskuppel war gefährdet, weil nicht genug Spenden speziell für sie vorlagen«, berichtete die Junge Freiheit. »Andererseits musste in diesen Tagen, angesichts des begonnenen Rohbaus, eine Entscheidung getroffen werden, ob sie in ihrer historischen Form schon jetzt auch statisch integriert werden kann. Es gab also eine entscheidende Weichenstellung. Wir sind überglücklich, dass sich unter unseren Spendern jemand fand, der mit einem Millionenbetrag eingesprungen ist. Für ihn, wie auch für uns, macht die Rekonstruktion des Schlosses ohne Kuppel wenig Sinn.«
Wilhelm von Boddien nahm zwar, wie die Junge Freiheit schon Jahre zuvor schrieb, »seinen Gegnern, die sich vornehmlich auf der linken Seite des politischen Spektrums befanden, […] geschickt den Wind aus den Segeln, indem er die politischen Bezüge der Schlossrekonstruktion vehement bestritt«. Doch diese Argumentation war rein taktisch.
Beim historischen Schloss spitzte sich die ideologische Botschaft nach Westen zu. Hier befindet sich das Eosanderportal, welches mit seiner Nachahmung eines römischen Triumphbogens den imperialen Herrschaftsanspruch Preußens zum Ausdruck brachte. Und so ist es wenig überraschend, dass rechtslastige Spender wie Ehrhardt Bödecker, Klaus Dittel, Dieter Lieberwirth und die Gesellschaft Berliner Schloss sich gerade hier engagierten.
Überhöht wird das Eosanderportal mit der Schlosskuppel, die in Zeiten der Niederschlagung der demokratischen Revolution von 1848 erbaut worden. Das Kuppelkreuz spendete die Witwe des Unternehmers Werner A. Otto, der seinerseits 2001 dem rechtsradikalen Bundeswehroffizier Max Klaar drei Millionen Mark für den Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam zugesagt hat. Vera Lengsfeld wiederum finanzierte die Nachbildung des Propheten Daniel auf der Kuppelbalustrade. Welcher anonyme Großspender aber die Realisierung der eigentlichen Kuppel sichergestellt hat, ist bis heute unbekannt. Doch kann man davon ausgehen, dass deren Symbolbedeutung für sein Engagement eine wichtige Rolle gespielt hat.
Für die rechtslastigen Unterstützer des Schlossprojektes ist dieses ein Symbol für das Wiederwachen der deutschen Nation. Für den Herausgeber der Jungen Freiheit Dieter Stein, so schrieb dieser im Jahr 2005, geht es bei Rekonstruktionsprojekten wie dem Berliner Schloss um die »Gesundung der deutschen Identität. Deutschland braucht eine architektonische Renaissance, die die Seele seiner Städte und damit die Seele aller Deutschen gesunden lässt.« In einem anderen Text schreibt er im Jahr 2007: »Vielleicht ist endlich einmal Schluss mit dem ›Gebrochenen‹, ›Verfremdeten‹, ›irgendwie Anderen und Neuen‹. Das Schloss ist das Herz des preußisch geprägten Deutschland. Es wird wieder zu schlagen beginnen.« Zum Richtfest des Berliner Schlosses jubelte Stein unter der Überschrift »Wunder geschehen«: »Architektur ist Gestalt gewordener Wille zum Staat. In ihr lässt sich das Selbstbewußtsein einer Nation ablesen. […] Wir Deutschen gewinnen unsere Mitte wieder.«
Ein Großteil der zehntausenden Spender des Schlossprojektes hat sicher aus lauteren Motiven für diese gespendet. Aber zugleich konnten sich rechtsradikale Spender in das Projekt einschreiben und sogar Einfluss auf seine Ausgestaltung nehmen. Das Berliner Stadtschloss ist damit Beispiel dafür, wie die Neue Rechte in den vergangenen Jahren erfolgreich ihre Strategie umsetzt, mit ihrem Ideengut bis in die gesellschaftliche Mitte vorzudringen.
Noch eklatanter ist dies der Fall bei dem von Rechtsradikalen initiierten Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam. Auch wenn diese hier mittlerweile keine aktive Rolle mehr haben, haben sie das Konzept des Bauvorhabens maßgeblich geprägt und sehen dessen Fertigstellung freudig entgegen, zumal die historische Symbolbedeutung dieser Militärkirche noch weitaus radikaler antidemokratisch, bellizistisch und völkisch ist.
Ob Rekonstruktion des Berliner Schlosses oder der Garnisonkirche in Potsdam: Bei beiden Projekten geht es rechtsradikalen Akteuren durch ihre Initiative oder finanzielle Mitwirkung darum, mit der (Wieder-)Errichtung von historischen Symbolbauten zugleich ihr Gedankengut zu verbreiten und in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Das Vorgehen folgt letztlich der Idee einer Kulturrevolution von rechts, die der rechtsextreme französische Vordenker Alain de Benoist bereits 1985 ausgerufen hat. Und in diesem Kulturkampf spielen im Bereich der Architektur Rekonstruktionsbauten eine maßgebliche Rolle, wie sich dies in zahllosen Zeitschriften Magazinen, Büchen und Internetplattformen der radikalen Rechten nachvollziehen lässt.
Im Rahmen der Debatte um die rechtsradikalen Spender beim Schloss titelte die Wochenzeitung Junge Freiheit ihren Aufmacher im Juni 2022 „Kampf um die Mitte“. Im Leitartikel dazu schrieb Andreas Lombard: „Die Herren der späten Bundesrepublik sonnen sich in einem hauptstädtischen Prunk, den sie als edlen Beifang gern mitnehmen und dessen tiefere Bedeutung für das Land sie zugleich bekämpfen.“ Subtil spricht er von „später Bundesrepublik“. Für ihn ist der Bau offenkundig ein Symbol einer kommenden neuen Zeit, welche die heutige Bundesrepublik hinter sich lassen und womit sie nun an das Erbe der Kaiserzeit anschließen soll. Heute, so lässt sich Lombard nur verstehen, konterkariere die political correctness des Humboldtforums den Sinn des Schlosses noch, aber eigentlich solle hier das Staatsoberhaupt seinen Sitz einnehmen.
Inzwischen treten die Neuen Rechten selbstbewusster auf und benennen offensiver ihre eigentlichen Anliegen. Geschickt wissen sie, ihre Agenda mit dem Bezug auf die klassischen Werte des Wahren, Schönen und Guten schmackhaft zu machen. Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses mit der anfangs nicht vorgesehenen originalgetreuen Rekonstruktion der historischen Kuppel einschließlich Kuppelkreuz und Spruchband sowie die Würdigungen rechtsradikaler Spender ist für sie ein wichtiges Zeichen eines Erfolges im Kampf um die Mitte.