Zu der verdrängten Historie des Ortes gehören insbesondere folgende Ereignisse:
Berliner Unwille 1447
1447/47 Der jahrelang Konflikt zwischen Kurfürst Friedrich II. als Landesherren und den Städten Berlin und Cölln kulminierte zur Jahreswesen 1447/48 in einer offenen Auseinandersetzung. Die Bürger zerstören das zum Bau des Schlosses benötigte Stauwehr und setzen so den Bauplatz unter Wasser. Sie belagern das Hohe Haus und vernichten einen Teil der dort lagernden wichtigen Urkunden. Der Protest ist vergeblich, beide Städte werden wenige Monate später dem Kurfürst unterworfen.
Märzrevolution 1848
Am 18. März 1848 fand eine Demonstration auf dem Schlossplatz statt. Zunächst versuchte König Friedrich Wilhelm IV mit seiner Rede vom Schlossbalkon über Portal I durch Zugeständnisse die Massen zu beruhigen, befahl dann aber, den Platz zu räumen. Die bis dahin friedlichen Demonstranten reagierten spontan mit dem Bau von Barrikaden, mit dem dann die Märzrevolution in Preußen begann.
Am 20. März 1848 protestierten Tausende Berliner Bürger vor dem königlichen Schloss mit Erfolg für die Freilassung der 1847 zum Teil zum Tode verurteilten polnischen Unabhängigkeitskämpfer.
Von Mai 1848 bis Mai 1849 entwickelte die in der in der Frankfurter Paulskirche tagende Nationalversammlung einen Verfassungsentwurf für ein vereintes Deutsches Reich. Doch der preussische König Friedrich Wilhelm IV lehnte am 28. April 1849 den Verfassungsentwurf und die damit ihm angebotene, demokratisch legitimierte Kaiserwürde ab, die ihm am 3. April von der Kaiserdeputation des Paulskirchenparlaments im Rittersaal des Berliner Schlosses unterbreitet worden waren.
Novemberrevolution 1918
Der Abdankung und Flucht des Kaisers am 9.11.1918 führte zunächst zu Plünderungen im Schloss. Um Vandalismus zu verhindern, bezog die revolutionäre Volksmarine am 13.11.1918 Stellung im Schloss. Am Weihnachtsabend, den 24.12.1918 stürmten Gardetruppen der Regierung das Schloss. Durch ihren Artilleriebeschuss wurde das Portal IV schwer beschädigt.
Zweiter Weltkrieg 1944/1945
Im Mai 1944 zerstörte erstmals eine Fliegerbombe Teile der Lustgartenfassade westlich von Portal IV. Beim Luftangriff vom 3. Februar 1945 wurde das Schloss von zahlreichen Spreng- und Brandbomben getroffen, das in Folge mehrere Tage lang ausbrannte. Allein der Bereich des Weißen Saals blieb noch relativ gut erhalten. Ende April 1945 war die Rote Armee bis zum Stadtzentrum Berlins vorgerückt. Nun erreichten die letzten Straßenkämpfe das Schloss, das nun Artilleriefeuer ausgesetzt war. In den ersten Nachkriegsjahren wird ein Teil des Schlüterhof als Gemüsegarten benutzt.
Sprengung 1950/1951
Am 6. September 1950 begann die Sprengung der Schlossruine, am 30. Dezember wurde das Eosanderportal gesprengt. Weitere Sprengungen zogen sich noch bis in den März 1951 hin.
Palast der Republik 1973 — 2008
Zwischen 1973 – 1976 wurde der Palast der Republik als öffentliches Kulturhaus und Sitz der Volkskammer der DDR errichtet. Hier tagte auch die im März 1990 erste frei gewählte Volksammer bis zur Wiedervereinigung im Herbst 1990. Der Palast wurde wegen Asbestbelastung geschlossen, Die Asbestsanierung von 1998 bis 2003 führt den Bau auf einen Rohbauzustand zurück. Ihr folgte eine zweijährige kulturelle Zwischennutzung des Palastes, bis dieser ab 2006 abgerissen wurde.
Literaturtips zur Historie
Felix Ackermann und Agnieszka Pufelska (Hg): Preußen postkolonial, Themenheft der Zeitschrift Geschichte und Gesellschaft, 47. Jahrgang 2021 /Heft 4, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2021
Thomas Beutelschmidt/Julia M. Novak (Hg): Ein Palast und seine Republik : Ort — Architektur – Programm, Verlag für Bauwesen, Berlin 2001
Amelie Deuflhard, Sophie Krempl-Klieeisen u.a. (Hg) Volkspalast : zwischen Aktivismus und Kunst. Theater der Zeit, Berlin 2006
Rüdiger Hachtmann: Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution. Dietz, Bonn 1997
Gerd Heinrich: Berlin am 18. und 19. März 1848. Märzrevolution, Militäraufgebot und Barrikadenkämpfe (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin. Historischer Handatlas von Brandenburg und Berlin; Nachtrag, Heft 6). de Gruyter, Berlin, New York 1980
Bernd Maether: Die Vernichtung des Berliner Stadtschloss. Eine Dokumentation. Berlin Verlag Arno Spitz GmbH, Berlin 2000
Michael Malliaris, Matthias Wemhoff: Das Berliner Schloss. Geschichte und Archäologie, Verlag Elsengold, Berlin 2016
Philipp Misselwitz, Philipp Oswalt, Hans Ulrich Obrist (Hg.): Fun Palace 200X — der Berliner Schlossplatz : Abriss, Neubau oder grüne Wiese?, Martin Schmitz Verlag, Berlin 2005
NGBK (Hg): Revolution und Fotografie. Berlin 1918/19, Nishen, Berlin 1989
Philipp Oswalt für Bündnis für den Palast/Urban Catalyst/ZwischenPalastNutzung e.V. (Hg): Zwischennutzung des Palast der Republik. Bilanz einer Transformation 2003ff. Berlin 2005
Philipp Oswalt: Bauen am nationalen Haus. Architektur als Identitätpolitik, Berenberg Verlag, Berlin 2023
Renate Petras: Das Schloss in Berlin. Von der Revolution 1918 bis zur Vernichtung 1950, Verlag für Bauwesen, Berlin 1992
Anja Tuma. Denkmalpflege am Berliner Schloss. Über die Dokumentation des wissenschaftlichen Aktivs seit der Sprengung des Schlosses 1950, Gebr. Mann Verlag, 2017
Knut Schulz/Historische Kommission zu Berlin e.V.: Der Berliner Unwille, in: 100 Schlüsselquellen zur Geschichte von Berlin, Brandenburg und Preußen, Berlin 2016, URL: http://www.hiko-berlin.de/Berliner-Unwille-1442
Jürgen Zimmerer (Hg.): Erinnerungskämpfe : neues deutsches Geschichtsbewusstsein, Reclam, Ditzingen 2023
Liebe Schlossaneignung,
ihr habt bei den Literaturtips meinen Comic zum Schloss vergessen. Da sind ALLE Revolutionen drin und die GANZE Geschichte des Ortes von der Eiszeit bis in die Gegenwart.
Hier der Titel:
Sebastian Strombach: Verrückt. Der Comic zum Berliner Schloss, Urbanophil, Berlin 2020
https://urbanophil.net/verlag/schlosscomic/
Schöne Grüße,
Sebastian Strombach