Ideenaufruf

Berlin, den 13. Juni 2024

English Version

Das in den Jahren 2013 – 2020 errichtete Humboldt Forum präsentiert sich in der Hülle des Schlosses des preußischen Königtums bzw. des Deutschen Kaiserreichs. Als idealisierte Deckerinnerung verdrängt es die komplexe Geschichte des Ortes im 19. und 20. Jahrhundert: Imperialismus und Unterdrückung der Minderheiten, die Revolutionen von 1848 und 1918, die Zeit der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkriegs, der Deutschen Teilung und der DDR, aber auch der friedlichen Wiedervereinigung und der kulturellen Aneignung des Palastes der Republik. Zur Geschichte des Ortes gehört inzwischen auch die Rolle rechtsradikaler Kreise bei der „originalgetreuen“ Rekonstruktion. Die Radikalisierung der Rekonstruktionsvorhabens, die über den Bundestagsbeschluss von 2002 hinausgeht – wie etwa die christlich-fundamentalistische Aufladung durch den Kuppelspruch –, hat schrittweise andere, kritisch reflektierte Sichtweisen auf die deutsche Geschichte an diesem Ort gezielt ausgegrenzt, ja ausgemerzt.

Problematisch ist auch das Nicht-Verhältnis der äußeren Erscheinung des Gebäudes zum Nutzungskonzept des Humboldt-Forums. Der legitimatorische Verweis auf die königlichen Kunstkammern kann diese Diskrepanz nicht überbrücken. Und soweit er es tut, verschärft er das Problem der äußeren Erscheinung. Denn die im Inneren zur Schau gestellten Sammlungen sind kolonialen Ursprungs und Resultat einer imperialen preußischen-deutschen Gewaltgeschichte. Ihre Präsentation wirft die Frage nach dem Verhältnis der preussisch-deutschen Monarchie und Geschichte zum Kolonialismus auf, ohne das bisher eine kritische Thematisierung stattgefunden hätte.

Es ist an der Zeit, die kritiklose Preußenverherrlichung zu brechen und die äußere Erscheinung des Humboldt Forums zu verändern. Wir laden daher Künstler:innen, Gestalter:innen und Architekt:innen ein, Vorschläge einzureichen, die mit künstlerischen Mitteln die verdrängten Schichten des Ortes wieder anschaulich machen und in die Fassaden des Humboldt Forums einschreiben. Neben permanenten, physischen Formen der Intervention sind wir auch an temporären, performativen und künstlerisch-forschenden Arbeiten interessiert.

Es sind auch künstlerische Beiträge möglich, die sich mit grundlegenden Änderungen an der Programmierung, der Governance und dem Umgang mit den Sammlungen befassen, wenn sich diese Vorschläge auch in den Stadtraum abzeichnen; denn es bleibt unverzichtbar, die gegenwärtige Prägung des öffentlichen Raums durch den Bau infrage zu stellen.

Der Status quo sollte nicht als Endpunkt eines schmerzvollen Prozesses verstanden werden, sondern als Ausgangspunkt, der transformiert und entwickelt werden kann im Rahmen einer Umbaukultur, die sich unterschiedlichen Sichtweisen und Perspektiven auf die Geschichte öffnet und der Diversität der heutigen Gesellschaft Rechnung trägt.

Dieser Ideenaufruf ist der erste Schritt einer Kampagne, die einfordert, dass der Bund als Eigentümer und Betreiber eine Weiterentwicklung seines Gebäudes vornimmt und einen Realisierungswettbewerb für entsprechende Kunst-am-Bau-Projekte auslobt und das Ergebnis umsetzt.

Auswahlgremium

Die Ausloberin wird je nach Kommunikationsart eine Auswahl treffen, wobei in jedem Fall ein breites Spektrum der Ideen bewahrt werden soll und keine Rangfolge festgelegt wird. Dem Auswahlgremium gehören an: Julia Grosse, Annette Maechtel, Hito Steyerl. Die Juryierung erfolgt anonym.

Präsentation und Publikation

Die Arbeiten werden am 10. Oktober in der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) Berlin vorgestellt und diskutiert und in einem Buch bei DOM-Publishers publiziert sowie anderweitig kommuniziert.

Geladene Künstler:innen

Der Ideenaufruf ist offen für jede(n). Eine Teilnahme haben im Vorfeld auf Anfrage bereits zugesagt:

Anschlaege.de 
The Department / Theo Deutinger
Förderverein Palast der Republik
Max Graf
Mischa Leinkauf
Ligna
Esper Postma
Anike Joyce Sadiq
Karin Sander
Raumlabor
Daniel Theiler
Ina Wudtke & Dieter Lesage

Auch die Bewertung ihrer Arbeiten unterleigen der Anonymität.

Einreichung der Ideen

Arbeiten können bis zum 15. September auf unserer Website schlossaneigung.de digital eingereicht werden. Einzureichen sind:

  • Keyvisual: Darstellung einer frei gewählten Außenansicht des Schlosses mit der künstlerischen Intervention, 300 dpi bei 25 cm Breite
  • Optional bis zu drei weiteren Darstellungen nach freier Wahl
  • Für größere Filme kann ein Link angegeben werden
  • Erläuterungstext 1 Seite A4
  • Verfassererklärung

Ausser der Verfassererkläung sollen die übrigen Teile der Einrichung kein Verweis auf die Urheberschaft enthalten.

Weitere Informationen →

Material

Die Ausloberin stellt auf ihrer Website Fotomaterial sowie Informationen zu historischen und aktuellen Spuren zur Verfügung, die zur Darstellung der eigenen Idee von den Teilnehmer:innen genutzt werden können.

Archiv-Plane-Schlossfassaden.zip
Archiv-Fotos-Fassaden-Ausschnitte.zip
Archiv-Fotos-Fassaden-total-schraeg-.zip
Archiv-Fotos-Fassaden-total-frontal-.zip
Drohnenfotos-Lustgartenfassade.zip
Drohnenfotos-Eosanderprotal_Kuppel.zip

Rückfragen

Das online-Rückfragenkolloquium fand am 15. Juli 2024 statt. Der Mitschnitt des Kolloqiums ist unter diesem Link einsehbar:

https://uni-kassel.cloud.panopto.eu/Panopto/Pages/Embed.aspx?id=8d002ad2-ba14-4613-b834-b1ae012bffd0&autoplay=false&offerviewer=false&showtitle=true&showbrand=false&captions=true&interactivity=all

Der Chatverlauf des Zoom-Treffens (mit einem Teil der Fragen) ist als pdf hier verfügbar.

Im Nachgang zum Rückfragenkolloquium fand am 24.7.2024 eine Juryvorbesprechung statt. Bei dieser wurde endgültig festgelegt, dass die Auswahl der Arbeiten anonymisiert erfolgt.

Initiatoren

Klaus Brake, Stadtforscher und -planer
Elisabeth Broermann, Architektin
Max Czolleck, Publizist
Christian Koppe, Historiker
Kristin Feireiss, Kuratorin
Harry Friebel, Soziologe
Theresa Keilhacker, Architektin
Doris Kleilein, Verlagsleiterin
Detlef Kurth, Stadtplaner
Anton Maegerle, Investigativ-Journalist
Philipp Meuser, Architekt und Verleger
Silke Neumann, Kommunikationsexpertin
Anh-Linh Ngo, Chefredakteur
Philipp Oswalt, Architekt und Publizist
Fred Plassmann, Filmemacher
Eike Roswag-Klinge, Architekt
Agnieszka Pufelska, Historikerin
Yvonne Rothe, Künstlerin/Grafikerin
Philipp Ruch, Künstler
Ulrike Steglich, Journalistin
Alexander Stumm, Architekturwissenschaftler
Tina Veihelmann, Journalistin
Anna Yeboah, Kuratorin und Architektin
Jürgen Zimmerer, Historiker